Sachgrundlose Befristung nach Vorbeschäftigung
Gegenstand dieser Entscheidung war die Frage, inwieweit eine mehrere Jahre
zurückliegende Vorbeschäftigung für die Frage der Zulässigkeit einer
kalendermäßigen Befristung von Bedeutung war. Die Klägerin war bei der
Beklagten, einer Einzelhandelskette mit mehreren hundert Supermärkten an
verschiedenen Standorten, zunächst im Jahr 2008 auf Basis eines befristeten
Arbeitsverhältnisses tätig. Mit Vertrag vom 30.04.2014 schlossen die Parteien
erneut einen Arbeitsvertrag mit einer Befristungsabrede, die insgesamt dreimalig
verlängert wurde und schließlich am 30.04.2016 enden sollte. Hiergegen erhob die
Klägerin Entfristungsklage, mit welcher sie beim Arbeitsgericht Hannover unterlag,
beim Landesarbeitsgericht Niedersachsen jedoch mit ihrem Feststellungsantrag
obsiegte. Das LAG Niedersachsen wich damit – wie im Übrigen auch schon einige
andere Landesarbeitsgerichte – von einer im März 2011 entstandenen
Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes ab.
Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Hs.1 TzBfG ist die kalendermäßige Befristung eines
Arbeitsverhältnisses ohne Vorliegen eines Sachgrundes bis zur Dauer von 2 Jahren
zulässig und in dieser Gesamtdauer von 2 Jahren höchstens dreimalig zu verlängern.
Nach § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG geht dieses allerdings nicht, wenn mit demselben
Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis
bestanden hat. Nach dem eindeutigen Wortlaut dieser Vorschrift verhindert damit
jedes vorherige Arbeitsverhältnis – unabhängig davon, wann es jemals bestanden
hat – eine nachfolgende sachgrundlose Befristung. Offensichtlich erschien dem
Bundesarbeitsgericht aber eine solche Einschränkung zu weitgehend, sodass es sich
in einem aufsehenerregenden Urteil (zunächst 06.04.2011) darüber hinwegsetzte
und entschied, dass ein mehr als drei Jahre vergangenes Arbeitsverhältnis einer
solchen Befristung nach § 14 Abs. 2 TzBfG nicht entgegensteht. Eine Begründung
des BAG bezog sich hierzu auf den Zweck des Vorbeschäftigungsverbots, welches
einen solchen weitgehenden Schutz nicht fordern würde und lediglich Missbrauch
vorbeugen solle. Wie sich das BAG allerdings über den klaren Wortlaut dieser
Vorschrift hinwegsetzte, stieß auf einige Überraschungen. So das BAG: „Der
Wortlaut des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG gebietet … kein bestimmtes
Auslegungsergebnis. Es ist im Hinblick auf den Bedeutungsgehalt des
Tatbestandsmerkmals „bereits zuvor“ bereits nicht eindeutig“.
Diese Begründung des BAG erscheint zweifelhaft und ist sowohl in der Literatur als
auch in der Rechtsprechung auf heftigen Widerspruch gestoßen. Zu Recht wird hier
teilweise dem BAG ein „Anfall kreativer Rechtsschöpfung“ attestiert. Eine Mehrzahl
von Landesarbeitsgerichten hat sich dieser Rechtsprechung des BAG nicht
angeschlossen und vertritt weiterhin eine strenge Auslegung des
Vorbeschäftigungsverbots ( beispielsweise LAG Niedersachsen, Urteil vom
16.02.2016 – 9 SA 376/15; LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 27.07.2017 – 4 SA
221/16; LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 16.11.2016 – 17 SA 14/16; LAG
Hessen, Urteil vom 11.07.2017 – 8 SA 1578/16; LAG Sachsen-Anhalt, Urteil vom
29.05.2017 – 6 SA 405/15). Seitens des Arbeitsgerichtes Braunschweig (Urteil vom
03.04.2014- 5 Ca 436/13) war im Übrigen eine Normenkontrollklage zum
Bundesverfassungsgericht eingelegt worden, wobei das Bundesverfassungsgericht
bislang hierzu (1 BVL 7/14) ebenso wenig entschieden hat, wie über eine
Verfassungsbeschwerde mit gleichem Inhalt (1 BVR 1375/14).
Das LAG Niedersachsen hat in der hier gegebenen Entscheidung ebenfalls
ausgeführt, dass § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG ein zeitlich uneingeschränktes
Anschlussverbot enthält, wofür bereits der Wortlaut spreche. Der Gesetzgeber hat
mit der Verwendung des Begriffes „bereits zuvor“ eine Formulierung gewählt, mit
der nach dem allgemeinen Sprachgebrauch gerade keine zeitliche Begrenzung
verbunden ist. Interessant ist aber noch, dass das LAG Niedersachsen mit der
Gesetzgebungsgeschichte argumentiert, wonach der Wille des Gesetzgebers eine
sachgrundlose Befristung „anstrebe“. „Neueinstellung“ soll deshalb eine erstmalige
Beschäftigung eines Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber“ sein (BT – DRS.
14/4374, 14). Um den übrigen Praxisproblemen bei der Feststellung einer
Vorbeschäftigung vorzubeugen, hat auch der Gesetzgeber bereits auf ein
entsprechendes Fragerecht des Arbeitgebers hingewiesen, was insoweit auch die
Literatur und Rechtsprechung befürwortet hat. Aufgrund dieser hoch umstrittenen
Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes soll ein Arbeitgeber auch nicht auf die
Fortführung dieser fachgerichtlichen Rechtsprechung vertrauen dürfen.
Im Ergebnis hat mit dieser Entscheidung das Landesgericht Niedersachsen dem
Feststellungsantrag dahingehend, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die
Befristungsabrede geendet hat, ebenso stattgegeben, wie dem daraus
resultierenden Weiterbeschäftigungsanspruch.
LAG Niedersachsen vom 20.07.2017 – 6 SAL 25/16