Sexuelle Belästigung und entschuldigendes Nachtatverhalten
Das BAG hatte in diesem Verfahren über eine außerordentliche fristlose Kündigung
aufgrund einer sexuellen Belästigung zu entscheiden, die es letztlich für unwirksam
erachtete. Bei dem Kläger handelte es sich um einen schon mehrere Jahre
beschäftigten Kfz-Mechaniker, der im Juli 2012 in den Sozialräumen seiner
Arbeitgeberin auf eine ihm bis dahin unbekannte Mitarbeiterin eines externen
Reinigungsunternehmens traf. Es kam zu einem Gespräch zwischen dieser
Mitarbeiterin und dem Kläger, im Verlaufe dessen der Kläger zu dieser Mitarbeiterin
sagte, sie habe einen „schönen Busen“, und sie dann noch an der Brust berührte.
Die Mitarbeiterin erklärte, dass sie dieses nicht wünsche, woraufhin der Kläger
sofort von ihr abließ.
Wenige Tage später kam es zu einem Personalgespräch, im Rahmen dessen der
Kläger den Vorfall sofort eingestand, erklärte, er habe sich eine Sekunde lang
vergessen und die Sache tue ihm furchtbar leid, er schäme sich und werde so etwas
nicht wiederholen. Das gegen den Kläger geführte Ermittlungsverfahren ist mangels
hinreichenden Tatverdachtes eingestellt worden. Ferner führte der Kläger unter
Zahlung eines Schmerzensgeldes einen Täter-Opfer-Ausgleich mit der Mitarbeiterin
durch, die daraufhin auch kein Interesse an der Strafverfolgung mehr hatte.
Bereits das LAG hatte, nachdem der Kläger in der I. Instanz beim Arbeitsgericht
unterlegen war, der Kündigungsschutzklage stattgegeben, was in der
Revisionsinstanz beim BAG auch hielt. Das BAG bejaht zwar eine sexuelle
Belästigung im Sinne von § 3 Abs. 4 AGG, die auch „an sich“ als wichtiger Grund im
Sinne von § 626 Abs. 1 BGB geeignet sei, eine fristlose Kündigung herbeizuführen,
vertrat aber im Rahmen der weiteren Abwägung die Auffassung, dass hier
gegenüber dem Kläger auch eine Abmahnung ausgereicht hätte, um zukünftiges
Fehlverhalten zu vermeiden. Dabei führt das BAG aus, dass die Aussage, die
Mitarbeiterin habe einen schönen Busen nicht mehr als sozial adäquates
Kompliment angesehen werden könne, sondern als unangemessene Bemerkung
sexuellen Inhaltes, darüber hinaus auch die anschließende Berührung ein sexuell
bestimmter Eingriff in die körperliche Intimsphäre gewesen sei, so dass von daher
der Kläger mit seinen erkennbar unerwünschten Handlungen die Würde dieser
Mitarbeiterin verletzt und sie zum Sexualobjekt erniedrigt habe. Dennoch habe eine
Einzelfallbetrachtung vorgenommen werden müssen, da letzten Endes die
außerordentliche Kündigung nicht den Zweck verfolge, pflichtwidriges Verhalten zu
sanktionieren, sondern das Risiko künftiger Störungen des Arbeitsverhältnisses zu
vermeiden und daher alle relevanten Umstände des Einzelfalles in die
Interessenabwägung mit einfließen müssten.
Das LAG sei dabei zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger nicht unfähig
gewesen sei, sein Verhalten zu ändern, sondern er vielmehr mit dem Hinweis auf
einen unerklärlichen „Blackout“ habe ausdrücken wollen, dass es sich bei seiner
Handlungsweise um ein ihm wesensfremdes, einmaliges „Augenblicksversagen“
gehandelt habe und nichts dafür sprechen würde, dass der Kläger sich noch einmal
irrtümlich einbilden könnte, „angeflirtet“ zu werden, um auf eine solche Annahme
hin erneut in vergleichbarer Weise zu reagieren. Dem Kläger ist dabei sowohl vom
LAG als auch bestätigend vom BAG zugutegehalten worden, dass es sich bei den
zwei Tatbeständen, das heißt der Äußerung gegenüber dieser Mitarbeiterin als auch
der Berührung um eine mehraktige sexuelle Belästigung gehandelt habe, allerdings
in Form einer sogenannten natürlichen Handlungseinheit und dem zugunsten des
Klägers angeführt werden könne, dass er sich über die Unerwünschtheit seines
Verhaltens geirrt habe und nach Erkennen seiner Fehleinschätzung diese auch
sofort beendet habe. Daraus sei zu Recht der Schluss gezogen worden, der Kläger
werde in dieser Weise künftig nicht mehr vorgehen.
Im Rahmen der weiteren Begründung führt das BAG zudem auch aus, dass der
Kläger sein Fehlverhalten ohne Zögern eingeräumt habe, obwohl er es aufgrund
dieser „4-Augen-Situation“ im Waschraum möglicherweise erfolgreich hätte
abstreiten können. Die Äußerung des Klägers in dem Personalgespräch, dass es ihm
furchtbar leid täte und er sich schämen würde, könne darüber hinaus den Schluss
darauf zulassen, dass der Kläger über sein Verhalten ehrlich erschrocken gewesen
sei. Dass dieses entschuldigende Verhalten des Klägers unter dem Eindruck einer
drohenden Kündigung erfolgt sei und damit nur schwach entlastend, stand
jedenfalls nicht der Annahme entgegen, dass eine Wiederholungsgefahr nicht
gerechtfertigt sei, wenn es sich jedenfalls um die Fortsetzung einer zuvor gezeigten
Einsicht handele.
Im Ergebnis hatte daher die außerordentliche und fristlose Kündigung keinen
Bestand, konnte aber auch nicht in eine ordentliche umgedeutet werden, weil eine
solche angesichts fehlender Abmahnung nicht sozial gerechtfertigt gewesen wäre.
Als adäquate Maßnahme des Arbeitgebers zur Vermeidung zukünftiger Fälle hätte
damit der Ausspruch einer Abmahnung genügt.
BAG-Urteil vom 20.11.2014 (2 AZR 651/13)
Vorinstanz LAG Düsseldorf Urteil vom 12.06.2013 (7 Sa 1878/12)